Baden-Württemberg braucht den Freihandel - TTIP ist eine zentrale Frage für unser Land
Dr. Hans-Ulrich Rülke, Fraktionsvorsitzender
Die USA sind ein zentral wichtiger Partner für unsere starke Wirtschaft. Die Fakten sprechen für sich: Das Volumen der Direktinvestitionen europäischer Unternehmen in den USA ist bis zum Jahre 2011 auf 1,4 Billionen Euro angewachsen. Umgekehrt hatten US-Unternehmen bis zum selben Jahr in der EU 1,3 Billionen Euro investiert. Vor diesem Hintergrund laufen derzeit die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. Es geht um den Abbau vielfältiger Hindernisse beim Austausch von Waren und Dienstleistungen über den Atlantik. Die so wichtige Automobilindustrie wendet beispielsweise bis zu einem Viertel ihrer Gesamtkosten für die Erfüllung unterschiedlicher Standards auf. Die sogenannte „Buy-American-Klausel“ hält insbesondere deutsche Zulieferer vom amerikanischen Markt fern.
Der für Baden-Württemberg so wichtige Mittelstand ist bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als zwei Millionen Euro zu über 50 Prozent im Exportgeschäft tätig. Gerade der Mittelstand ist darauf angewiesen, von nicht tarifären Handelshemmnissen entlastet zu werden. Große Unternehmen können sich eigene Abteilungen oder Stabsstellen zu deren Bewältigung leisten, Mittelständler nicht. Solche Hemmnisse wie Zölle oder allgemeine Bürokratie schlagen mit Kostenaufschlägen von bis zu 26 Prozent zu Buche.
In Deutschland insgesamt macht der Export 47 Prozent des Sozialprodukts aus; in Baden-Württemberg 55 und in der Region Stuttgart sogar 80. Es wird deutlich: Baden-Württemberg muss ein vitales Interesse am Thema Freihandel mit dem starken Wirtschaftsstandort USA haben. Darum geht es beim Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP.
Über den Stand der Verhandlungen informiert die EU-Kommission ausführlich auf einer offiziellen Website. Dort werden Verhandlungspositionen, Ergebnisse und Argumente veröffentlicht. Am Ende werden die Parlamente auf nationaler und europäischer Ebene über das Verhandlungsergebnis beraten und entscheiden.
Trotz dieser Faktenlage findet sich gerade eine ausgesprochen aktive Allianz zusammen, die aus bekannten Globalisierungsgegnern (z.B. attac, Campact) und einer Vielzahl von Verbänden und Vereinen besteht. Mit teilweise völlig falschen Tatsachen werden Befürchtungen geschürt. Die Strategie sieht vor, auch objektivere Gremien und Vereinigungen, wie z.B. den Deutschen Kulturrat, den Städte- sowie Landkreistag und sogar die Kirchen zu den Bedenkenträgern dazu zu holen. In der Zwischenzeit haben diesbezügliche Resolutionen einzelne Kommunalparlamente erreicht.
Die Bedenken, die dabei vorgebracht werden, wiederholen sich immer wieder: Bekannt ist das legendäre Chlorhühnchen, das symptomatisch für die Art der Gegenargumente steht. Bei einem Besuch in einem deutschen Hallenbad nimmt man vermutlich schon beim Umziehen mehr Chlor auf, als beim Verzehr eines mit dem unbedenklichen Chlordioxid behandelten Geflügels. Die Kommission hat auch für die Verhandlungen die Verteidigung der Gütezeichen zugesagt. |
|
Anders als von Verbraucherschutzminister Bonde behauptet, gibt es keine Gefahr für den Schwarzwälder Schinken. Im Übrigen hat die USA durchaus auch in manchen Bereichen schärfere Verbraucherschutznormen als die EU. So darf Spielzeug in der EU 160mg Blei pro Kilogramm enthalten, in den USA lediglich 90. Und der Benzolgehalt des Benzins ist in den USA auf 0,62 Prozent limitiert, in der EU ist 1 Prozent erlaubt.
Die vielgeschmähten Schiedsgerichtsverfahren sind kein K.O.-Kriterium für TTIP. Es kommt auf die Regelungen und die Besetzung der Schiedsgerichte an. Auch heute braucht man in Streitfällen eine Entscheidungsinstanz. Ob der schwäbische Mittelständler beim Streit mit einem US-Kunden mit dem Friedensrichter von Dodge City besser bedient ist als mit einem international besetzten Schiedsgericht, ist zu bezweifeln. Ausgerechnet die Regierung Kretschmann ist beim Streit um den EnBW-Kaufpreis im Übrigen auch vor ein solches Schiedsgericht gezogen.
Gerade in Gemeinden werden gezielt Anträge eingebracht, die zum Teil vorformuliert von einschlägigen Gruppierungen aus dem Internet heruntergeladen werden können. Dabei geht es um zentrale kommunalpolitische Bereiche, wie die Frage der Selbstverwaltung, die Daseinsvorsorge, die Sicherung kommunaler Betriebe und die Kulturfreiheit. Zur Schaffung von Klarheit in diesen Fragen habe ich mich in Absprache mit der Landtagsfraktion an das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen gewandt. Von dort haben wir Informationen aus erster Hand erhalten, die insbesondere für die vor Ort geführten Diskussionen sehr hilfreich sind. Wir haben diese Inhalte zusammengestellt und Sie können diese auf unserer Homepage finden.
In einer von der FDP beantragten Aktuellen Debatte im Landtag von Baden-Württemberg wollten wir am 11. März die Haltung der Landesregierung zum Freihandelsabkommen TTIP erfahren. Diese bleibt nebulös. Es ist sehr aufschlussreich, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich in der Debatte selbst nicht äußerte. Er betont in seiner Rolle als selbst ernannter „Wirtschaftsversteher“ zwar immer wieder die Wichtigkeit des Handels mit den USA, wird dabei aber von seiner eigenen Partei zurückgepfiffen, die TTIP entschieden ablehnt. Mit dieser Uneinigkeit kämpft aber nicht nur die Landesregierung. Zur zunehmenden Wirtschaftsfeindlichkeit der CDU passt, dass sich deren Sozialausschuss mittlerweile auch gegen TTIP stark macht.
Für Baden-Württemberg handelt es sich um eine zentrale Entscheidung angesichts des gewaltigen Exportvolumens unserer Unternehmen in die USA. Die einzigen, die sich ohne Wenn und Aber zu TTIP bekennen, sind wir von den Freien Demokraten.
Mehr Informationen:
https://fdp-dvp-fraktion.de/pressemitteilungen/
ruelke-baden-wuerttemberg-
braucht-den-freihandel/
https://ec.europa.eu/deutschland/
press/pr_releases/12982_de.htm
https://ec.europa.eu/trade/policy/
in-focus/ttip/index_de.htm
TTIP, TiSA, CETA und die kommunale Ebene.
|